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Der Erweiterungsbau der
altehrwürdigen Bank Sarasin in
Basel
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Die Bank Sarasin wird den Schatten des
gescheiterten Financiers Dieter Behring nicht los.
Eine Reihe von Kunden der mittlerweile in Konkurs
gegangenen Vermögensverwaltungsgesellschaft
Creativ Invest Management AG (CIM), die Anlagen in
das «System Behring» vermittelt hatte,
will bis Ende Juli beim Zivilgericht Basel Stadt
eine Klage gegen die Basler Bank einreichen.
Sarasin hatte als Depotbank der CIM-Kunden
gewaltet. Ein Anfang Juni durchgeführtes
Vermittlungsverfahren, an dem neben einem Richter
die Anwälte der Parteien teilgenommen haben,
ist ergebnislos verlaufen. Die CIM-Kunden, die bei
Anlagen in das «System Behring» ihren
gesamten Einsatz verloren haben, verlangen von der
Bank Sarasin Schadenersatz. Diese hält
dezidiert dagegen und stellt sich auf den
Standpunkt, als reine Depotbank habe sie nichts mit
den Anlagen der CIM-Kunden zu tun gehabt.
Dafür sei allein die CIM als externe
Vermögensverwalterin zuständig gewesen.
Aus der Sicht von Sarasin beschweren sich die
Geschädigten bei der falschen Adresse. Weitere
Anwaltskanzleien, die angeblich über 30
Personen vertreten sollen, prüfen derzeit
ebenfalls ein gerichtliches Vorgehen gegen die
Basler Bank.
Mehr als eine Depotbank?
Die Geschädigten werfen der Bank Sarasin
vor, eine Rolle gespielt zu haben, die weit
über jene einer klassischen Depotbank
hinausgeht - und versuchen damit den zentralen
Verteidigungswall der Bank zu schleifen. In ihrer
Klageschrift, deren Inhalt den
Sarasin-Anwälten noch nicht bekannt ist,
behaupten die Geschädigten, die klassische
Trennung zwischen dem externen
Vermögensverwalter und seinen Kunden
einerseits sowie der Depotbank anderseits habe es
in diesem Fall nicht gegeben. Vielmehr habe die
Bank eigenhändig für die CIM alle
wesentlichen Dokumente entworfen und sogar die
Ausgabebedingungen für privat placierte
Obligationen («Notes») der Moore Park
Investments Inc. (MPII), einer zentralen
Gesellschaft des «Systems Behring»,
ausgearbeitet. Ab Anfang 2004 habe die Bank diese
Papiere im eigenen Namen gezeichnet und neuen
Kunden in das Depot gebucht. In Tat und Wahrheit,
so hält die Klageschrift fest, hätten CIM
und Sarasin mit dem einzigen Ziel eng zusammen
gearbeitet, neue Kundengelder zu akquirieren. Die
zentrale Rolle der Bank lasse sich schon dar an
ablesen, dass sie nicht nur die Depots der CIM
Kunden, sondern auch drei auf die Währungen
Franken, Dollar und Euro lautende Konti der
Emittentin MPII geführt habe. Damit sei es
für die Bank möglich gewesen, den
gesamten Investitionsprozess aus einer Hand durch
interne Buchungen abzuwickeln.
Dieser zentralen Rolle zum Trotz habe Sarasin,
so lautet der nächste Vorwurf, ihre
Sorgfaltspflichten verletzt. So habe die Privatbank
realisieren müssen, dass ihre
Vorgängerbank, die liechtensteinische Bank
Frick, im Herbst 2003 nach einem rund
halbjährigen Engagement Hals über Kopf
aus dem Geschäft mit MPII-Notes ausgestiegen
war, weil sich grosse Zweifel an der
Seriosität und Legalität dieser Produkte
breitgemacht hatten. Zudem hätte Sarasin aus
der Sicht der angehenden Kläger feststellen
müssen, dass die vor wenigen Jahren mit einem
Aktienkapital von 50 000 Fr. gegründete, nie
von Buchprüfern revidierte MPII-Notes in
Höhe von über 200 Mio. Fr. emittierte
(wovon die Basler Bank selbst 50 Mio. Fr.
gezeichnet haben soll). Sarasin habe nicht ein mal
bemerkt, dass zwei voneinander unabhängige
Gesellschaften mit gleichem Namen, aber unter
schiedlichem Domizil (Bahamas bzw. Britische
Jungferninseln) existierten.
Am schwersten wiegt wohl der Vorwurf, der
Entscheid der Bank Sarasin, nicht mehr in Produkte
der MPII zu investieren, sei aus eigennützigen
Überlegungen zu spät, nämlich erst
am 2. Jul 2004, gefallen. Die ersten negativen
Zeitungsberichte über das «System
Behring» waren im März erschienen. Der
Hinweis auf die späte Einsicht der Bank ist
deshalb brisant, weil Ende Juni die Anlagen in
Notes (mit einer dreimonatigen Laufzeit) ausliefen
und zur Rückzahlung fällig wurden.
Hält man sich an die Klageschrift, wurde das
Franken-Konto der MPII am 29. und 30. Juni
tatsächlich mit insgesamt 50,5 Mio. Fr.
belastet. Über eine Gegenbuchung wurden diese
frei gewordenen Gelder ordnungsgemäss den
Anlegern bzw. CIM-Kunden gutgeschrieben. Nur: Nach
dieser Gutschrift soll das MPII-Konto einen Negativ
saldo von 49,5 Mio. Fr. ausgewiesen haben -
faktisch habe Sarasin der MPII einen Kredit von
rund 50 Mio. Fr. gewährt. Um diese
Unterdeckung zu beseitigen, habe die Bank allen
Verdachtsmomenten zum Trotz am 1. Juli
sämtliche Kundengelder von rund 51 Mio. Fr. in
eine neue, bis zum 30. September laufende Serie von
Notes reinvestiert. Die Investitionssumme sei den
Anlegern belastet und der MPII gutgeschrieben
worden. Durch diese Wiederanlage der Gelder, die
ohne expliziten Auftrag erfolgt sei, habe die Bank
die Unterdeckung auf dem MPlI-Konto auf elegante
Weise auf Kosten der Anleger beseitigen
können. Deren Notes erwiesen sich in der Folge
als Nonvaleurs.
Keine Stellungnahme
Die Bank selbst hat es mit dem Hinweis auf das
laufende Verfahren abgelehnt, Stellung zu diesen
Vorwürfen zu nehmen. Sie hält
unverrückbar an ihrer Position fest, lediglich
als Depotbank der CIM-Kunden gewaltet zu haben. Im
Übrigen beruft sie sich auf eine Untersuchung
der Eidgenössischen Bankenkommission, in deren
Folge die Aufsichtsbehörde der Privatbank im
Juli 2005 in der Affäre Behring einen
Persilschein ausgestellt hat. Sarasin habe keine
Anlageprodukte, die dem Umfeld von Dieter Behring
zuzurechnen seien, empfohlen. Sie habe lediglich
die Reputationsrisiken unterschätzt, die mit
der Abwicklung von Notes der MPII verbunden gewesen
seien. Zudem habe die Bank Vorkehrungen getroffen,
um diese Risiken künftig besser
überwachen zu können.
Unabhängig vom Fall Behring ist die Frage,
ob eine Depotbank lediglich für die technische
Seite der Vermögensverwaltung (Abwicklung,
Konto und Depotführung) belangbar ist, unter
Juristen nicht unumstritten. Es gibt durchaus
Stimmen, die sich auf Treue- und Sorgfaltspflichten
von Depotbanken gegenüber Kunden
«ihrer» externen Vermögensverwalter
berufen. Denn manchmal unterhalten Banken spezielle
Einheiten, die Kontakt zu den keiner Aufsicht
unterstehenden Vermögensverwaltern halten, um
nicht zuletzt unwillkommene Entwicklungen in deren
Geschäftsgebaren zu erkennen und
Reputationsrisiken zu minimieren. Schliesslich
setzen Vermögensverwalter bei der Akquisition
von Kunden den Namen der Depotbank als
Marketing-Instrument ein. Während ein Genfer
Gericht im Februar 2004 festhielt, eine Depotbank
habe sich nicht in die Beziehung zwischen
Vermögensverwalter und n Kunde einzumischen,
bejahte das Appellationsgericht Tessin im Oktober
2005 den Anspruch eines Depotkunden aus
Vertrauenshaftung. Die Bank hatte sich nach
auffälligen Transaktionen zunächst an den
externen Vermögensverwalter gewandt und den
Kunden erst kontaktiert, als das gesamte
Vermögen verloren war.
Ermes Gallarotti (ti.), Neue Zürcher
Zeitung, 13. Juli 2007
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